Die SPD braucht Selbstbewusstsein und den Willen zur Regierung
Im Jahr 2005 trat ich wegen Gerhard Schröder in die SPD ein. Er war und ist für mich nicht einer der besten Oppositionsführer, sondern einer der besten Kanzler unseres Landes. Sein Wille, sozialdemokratische Politik auch gegen größte Widerstände in die Tat umzusetzen, hat mich immer begeistert.
Heute, im Jahr 2018, ist die SPD in einer schwierigen Situation. Sie stellt sich angesichts von Umfrage-Ergebnissen von 16 % mehr denn je die Frage über ihre eigene Zukunft. Schadet das erneute Zusammengehen mit der Union der SPD – so, wie angeblich schon beim vorherigen Male? Schon die Frage ist der falsche Ansatz und offenbart ein Politikverständnis, das ich ablehne. Denn: Wer mit einer politischen Partei zu Wahlen antritt, der tut dies mit dem Ziel, seine Vorstellungen auch in die Tat umsetzen. Er tut dies jedoch nicht, aus dem Selbstzweck, sich bei Umfragen möglichst beliebt zu machen.
Deutschland ist seit jeher ein Land von Koalitionsregierungen. Niemand kann in einer Bundesregierung die reine Lehre seines Wahlprogramms umsetzen. Das Zauberwort ist das heute schon fast unbeliebte Wort „Kompromiss“. Wer nicht kompromissfähig ist und nicht den Willen zur Macht hat, der hat weder die deutsche Demokratie verstanden, noch wird er in Deutschland regieren können.
Das in der SPD weit verbreitete Argument, dass die große Koalition für das schlechte Abschneiden der SPD verantwortlich sei, kann ich nicht nachvollziehen. Der Grund dafür ist vor allem bei einem zu suchen: nämlich bei der SPD selbst.
Ich frage mich manchmal: Wo sind eigentlich die Spitzenfunktionäre der Partei, die die tatsächlichen Erfolge sozialdemokratischer Politik auch äußerlich wahrnehmbar symbolisieren? Wo ist das Selbstbewusstsein über so viele Jahre des erfolgreichen Regierens? Ich sehe es nirgends. Ein selbstbewusster, in sich ruhender Sozialdemokrat ist im Fernsehen ja schon fast etwas Besonderes. Stattdessen sieht man ständig unzufriedene, kleinlaute, fast kauernde Genossen. Statt auf das viele Erreichte Stolz zu sein und daraus Legitimation für die Zukunft zu gewinnen, ist man unglücklich über das, was auf Grund der Koalitionszwänge noch nicht erreicht werden konnte.
Die einstige Stärke der SPD, das Beste zu wollen, hat sich zu einer Schwäche entwickelt. Die Schwäche heißt Rigorismus: Was nicht vollständig gut ist, ist gar nicht gut. Mit dieser Philosophie von Politik, hätte Willy Brandt niemals erfolgreich Ostpolitik machen können. Er wäre an sich selbst gescheitert.
Und dies droht aktuell der SPD: Sie droht an sich selbst zu scheitern. Die SPD muss den Willen das Beste zu erreichen, wieder in eine Stärke verwandeln. Sie muss Stärke und Selbstbewusstsein aus sich herausfinden finden und das wahltaktische Kalkulieren einstellen. Sie muss den Kompromiss als Notwendigkeit akzeptieren und daraus das Beste machen – auch, wenn es ihr selbst nie gut genug sein kann. Sie muss das noch nicht Erreichte zum Ansporn für die Zukunft nehmen, nicht zur Blockade der Gegenwart. Erst mit diesem stolzen Feuer wird sie wieder Menschen für sich gewinnen, ganz gleich welche Koalitionen sie eingeht.
Ich bleibe davon überzeugt, dass die SPD das Beste für die Menschen in Deutschland in der Regierung erreichen kann. Und das hat sie: Der Koalitionsvertrag ist gut verhandelt, er trägt eine starke sozialdemokratische Handschrift, die unser Wahlergebnis fast überrepräsentiert. Deutschland bekommt mit der schwarz-roten Koalition eine stabile Regierung, so wie einst unter Gerhard Schröder.